Diagnose Lipödem – Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

by Dani

Es geschah an einem Tag im August 2015. Ich kann mich daran erinnern, dass es ein sonniger warmer Tag war. Wie die Menschen es lieben im Sommer. Die Meisten. Ich nicht. Ich hasse den Sommer. Und das schon seit meiner Pubertät. Seit der Zeit, in der meine Beine immer mehr an Umfang zugenommen haben. Mein Selbstbewusstsein nahm jedoch immer mehr ab. Mit jedem Sommer. An Lipödem war damals noch nciht zu denken.

Ein Parkplatz direkt vor der Tür. Toll für Menschen wie mich. „Menschen wie mich“ meint Lipödempatientinnen, die Schmerzen und Einschränkungen beim Laufen haben. Haben nicht alle aber eben viele. Ich gehöre dazu. Der Weg zur Venenklinik war also nicht weit. In wenigen Minuten sollte sich also heraus stellen, ob ich an dieser Krankheit Lipödem leide oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht, aber aufgrund eines TV-Beitrags, den ich wenige Wochen vorher gesehen hatte, hatte ich die belastende Vermutung.

Nun war ich in der Klinik

An der Rezeption wurde ich nett empfangen. Das Wartezimmer strahlte in freundlichem Orange und dank Bordüre und Deko verströmte es mediterranes Flair. Leider strahlte es nicht annähernd genug Freundlichkeit und Flair aus um mir meine Angst zu nehmen. Sollte ich jetzt hoffen, dass ich es habe oder, dass ich es nicht habe? Diese Frage stellte ich mir schon, seit ich den Termin bekam. Entscheiden konnte ich mich nicht. Jedes Mal, wenn eine Arzthelferin in die Warteecke kam, dachte ich „Bitte nicht ich“ und trotzdem war ich, wenn ich nicht aufgerufen wurde enttäuscht, dass ich noch länger warten musste. Ich war einfach aufgeregt und traurig und ängstlich und und und… Doch schließlich wurde auch ich aufgerufen.

Dann war er da. Der Moment, vor dem ich solche Angst hatte, aber ihn auch nicht mehr abwarten konnte. Viele Nächte habe ich mir um die Ohren gehauen wegen dieses Themas und jetzt sollte ich meine lang ersehnte Antwort bekommen.

Der Moment geschah als ich mit meinen nackten Füßen auf dieser kalten Platte dieser seltsamen Vorrichtung stand. Es sieht aus wie eine Art senkrecht stehender Tisch, an dem die Patienten lehnen, während der Arzt einen Ultraschall macht. Wie bei mir in diesem Moment. Kalt war es nicht nur an den Füßen, sondern auch an den Beinen. Dieses glibberige Gel ist auch nicht gerade toll, aber ich war in diesem Moment zu aufgeregt, um das wahrzunehmen. Dann war der Moment gekommen. Ich hing an den Lippen der Ärztin, als ihr plötzlich vier Worte, die mein Leben verändern sollten entwichen:

„Ja, Sie haben Lipödem“

Jetzt wusste ich, welchen Nutzen ich aus diesem senkrechten Tisch ziehen konnte. Er bewahrte mich davor in diesem Moment um zu fallen.

Was genau geredet wurde, habe ich nicht mehr richtig wahrgenommen. Ich verstand nur etwas von „veränderten Fettzellen“, „Kompression“ und „Lymphdrainage“. Unten am Empfang bekam ich dann Rezepte und einen neuen Termin zur Kontrolle in 3 Monaten und ging zum Auto. Da war er dann wieder, dieser Moment.

Dieser Moment. Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt. Ok, nun wusste ich, dass ich eine Krankheit habe. Dass es nicht daran liegt, dass ich zu viel oder das Falsche esse und mich zu wenig bewege. Ich habe eine Krankheit und es ist nicht meine Schuld. Das ist schon mal gut. Irgendwie. Mir kamen die Tränen. Kompressionsstrümpfe tragen? Jeden Tag? Eine fremde Person, die 2 Mal in der Woche meine Beine „massiert“? Und das Schlimmste: Eine dauerhafte Heilung durch eine OP, die tausende von Euro kostet, aber die Krankenkasse nicht übernimmt? Ich fühlte mich leer und mir war kalt. Ich verbrachte gefühlte 3 Stunden im Auto. Mit Nachdenken. Es war in Wirklichkeit ungefähr eine Stunde. Ich war auf der einen Seite erleichtert, aber auf der anderen Seite hatte ich Angst. Da war sie nun, die Antwort auf meine Fragen, die mich über Jahre quälten. Warum meine Beine immer anders aussahen, als die von Mädchen/Frauen in meinem Alter. Warum ich immer so schnell blaue Flecken bekomme und warum mir in den letzten Jahren sogar die Beine und Arme schmerzen, auch wenn ich nichts tue. Eine Antwort auf alle Fragen. Erklärt mit einem Wort. Lipödem. Als ich mich dann in der Lage fühlte Auto zu fahren, machte ich mich auf die Heimreise.

Die Gedanken kreisten

Während der Heimreise kreisten meine Gedanken natürlich auch um das eine Thema. Ich hatte mich ja schon vorher damit beschäftigt, weil ich vorbereitet sein wollte, wenn ich es wirklich hätte. Mein Kopf war voll mit Fragen und Unsicherheit. Etwas Sicherheit gaben mir die Gruppen bei Facebook, in denen ich mich schon informiert hatte und in denen ich schon Rat bekommen hatte. Die Tatsache, dass die Krankenkassen so selten die Operationen bezahlen hat mich zu diesem Zeitpunkt schon traurig und wütend gemacht, was sich bis heute nicht geändert hat.

Ich sehe mich vor meinem geistigen Auge genau dort im Auto sitzen. Dieser Moment ist jetzt fast genau 2 Jahre her. Ich habe mich gefasst und meine erste OP mittlerweile hinter mich gebracht. Ich blicke positiv in die Zukunft, auch mit meinem Lipödem. Aber des Öfteren bin ich trotzdem noch traurig, dass ich diese Krankheit habe. Dass ich und viele andere Frauen, die darunter so sehr leiden diese Krankheit haben.

Diese Zeilen spiegeln meinen Moment der Diagnose wider. Sie sollen niemandem den Mut nehmen! Sie spiegeln nur meinen Zustand in diesem Moment wider, der sich mittlerweile zum Positiven verändert hat. Lipödem ist nicht das Ende der Welt 😉 Und es lohnt sich zu kämpfen. Für sich selbst und für andere. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass die Krankenkassen die Liposuktion in den Leistungskatalog aufnimmt. Lasst uns zusammen kämpfen!

Als kleinen Tipp kann ich euch mitgeben: Nehmt jemanden mit, wenn ihr einen Termin habt um abzuklären, ob ich Lipödem habt, falls die Vermutung besteht. Dann seit ihr nicht alleine und habt jemanden zum Reden. Wenn ihr die Vermutung habt, nehmt euch einen Termin! Ich habe ungefähr 15 Jahre mit der Ungewissheit gelebt was ich habe, da Lipödem noch nicht so bekannt war. Je früher es diagnostiziert wird, umso besser könnt ihr behandelt werden.

Gemeinsam sind wir stark!

Liebe Grüße

Dani

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