Die Geschichte von Moby Dick fasziniert seit jeher Generationen. Egal ob Landratte oder Seebär, überall auf der Welt kennen Menschen den von Herman Melville geschriebenen und 1851 zum ersten Mal erschienenen Roman mit dem Titel „Moby-Dick; or, The Whale“. Viele Jahre später haben es sich eine Handvoll Künstler aus dem Wendland zum Ziel gemacht, genau diese Geschichte auf einzigartige Weise zum Leben zu erwecken. Mit viel Metall und wenig Glamour (zum Glück^^).
Ich liebe Geschichten rund um die See. Deshalb war ich von dem Moment an, wo ich im Internet erfahren habe, dass die Freie Bühne Wendland mit einem Stück über Moby Dick zu uns nach Neuwied kommt, hellauf begeistert. Mit „kybernetisches Theaterspektakel“ wurde das Ganze im Internet angepriesen. Suchergebnisse zum Thema „Kybernetik“ brachten dann „Kybernetisch“ stammt vom Begriff „Kybernetik“ und bezieht sich auf die „Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Systemen – egal ob es sich um Maschinen, biologische Organismen oder soziale Systeme handelt“ zutage, was meine Vorfreude auf den Abend noch größer machte.
Moby Dick – Freie Bühne Wendland
Die Freie Bühne Wendland wurde im Jahr 2011 von im Wendland ansässigen professionellen Künstlern aus dem Theater- und Fernsehbereich gegründet (Regie, Schauspiel, Drehbuch, Ausstattung, Tanztheater, Choreografie und Theaterpädagogik). Es gibt keine feste Spielstätte, sondern sie spielen sozu sagen da, wohin man sie einlädt oder erschaffen ihre eigene mobile Bühne, wovon ihr gleich mehr erfahren werdet ^^ Gespielt wird auch weit über die Grenzen des Wendlands hinaus, so auch bei uns im schönen Rheinland. Neben der atemberaubenden Moby Dick Aufführung gibt es aber noch mehr zu entdecken, was ihr auf der Internetseite der FBW finden könnt.
Glühendes Metall, brennende Harpunen und staubiger Splitt
Wir machten uns also an besagtem Samstagnachmittag bei fast 30 Grad auf den Weg nach Neuwied. Bereits von unserem Parkplatz aus sahen wir ihn – den Bus, der scheinbar Mittelpunkt des Spektakulums sein sollte. Aber als was genau? Als Schiff? Oder doch als Moby Dick selbst? Aber er hat doch hinten eine Flosse. Ein Schiff hat doch keine Flosse! Aber wenn der Bus Moby Dick sein soll…was ist dann das Schiff? Wir drehten also unsere Runden um die Fahrzeuge und staunten nicht schlecht. Die Menge wartete im Schatten, bis alle dann in den letzten Minuten vor Beginn der Aufführung zu ihren Plätzen marschierten. Diese befanden sich in der Sonne, aber gnädigerweise entgegen der Sonne gerichtet.
Wenn du nicht zu viel von der Handlung erfahren und dich in einem Besuch dieses Theaterstücks lieber selbst überraschen lassen möchtest, ist hier Ende

Augustus Burnham Shute
Eine lange Bilderstrecke findest du am Ende des Beitrags. Solltest du dir nicht entgehen lassen!
Nach einer kurzen Einführung durch eine der Schauspielerinnen sollte es dann bald losgehen. Sie wies uns darauf hin, dass wir auf unseren Plätzen sitzen bleiben sollten, da Fahrzeuge um uns herumfahren. Mir gefiel ihre lockere und etwas freche Art und die Information mit „die Fahrzeuge fahren um euch herum“ verstärkte meine Vorfreude auf das Stück zusätzlich.
Und dann war es so weit. Aus den Lautsprechern ertönte Musik und zwei der männlichen Schauspieler schoben eine Art Fahrrad auf die Fläche, die die Bühne ersetze, und begannen zu erzählen. Dann endlich kam er langsam, schon fast gespenstisch angefahren…der Bus. Und tatsächlich stellte er in diesem Moment das Schiff der Walfänger dar. Das Metall blitzte in der heißen Nachmittagssonne und unsere Blicke verteilten sich auf die Whalemen, also die Matrosen beim Walfang, den Bus in seiner recht unüblichen Erscheinung und die Person auf dem Busdach, die von Minute eins eine interessante Faszination auf mich ausstrahlte. „Das muss Kapitän Ahab sein“, dachte ich mir direkt zu Beginn.
Anheuern auf der Pequod
Es wurde laut. Und lustig! Die Whalemen (und auch Frauen^^) heuerten laustark auf dem Walfänger an. Nichts konnte sie davon abbringen, auch nicht eine alte gebrechliche Person, die ihnen vorhersagte, dass sie in ihr Verderben laufen. Die Stimmung war gut und es wurde gelacht und getanzt. Währenddessen wurde eine Art Reling oben auf dem Dach des Busses befestigt, was zum einen zum Look eines Schiffes und zum anderen zur Sicherheit der Schauspieler beigetragen hat. Sämtliche Bedenken wurden buchstäblich über Bord geworfen und sie stachen in See.
Aber es war nicht nur die bloße Darbietung der eigentlichen Handlung, nein es war mehr. So war der beeindruckend umgebaute VW nicht einfach nur „ein Wal“, sondern die Schauspielerin, die ihn zum ersten Mal ins Stück integrierte, stellte selbst einen Wal dar und erzählte in der „Ich-Perspektive“ von dem Leben der Wale. Dabei brachte sie uns viele beeindruckende Fakten nahe und regte durch ihre Darbietung den ein oder anderen Zuschauer zum Nachdenken an. Anschließend wurde der „Wal“ von den Walfängern erlegt und unter Blutvergießen in seine Einzelteile zerlegt und nach und nach auf die Pequod geschafft.
Die Walfänger waren fies. Absichtlich fies, um darzustellen, wie erbarmungslos und gierig der Walfang sein kann. Und sie machten ihre Sache gut. Zuerst jagten sie den Wal mit den kleinen „Booten“, den umgebauten Fahrrädern und dann erlegten sie ihn. Man sah, wie sie den Wal scheinbar gefühllos in ihre Einzelteile zerlegten und auf das Schiff hoben. Mir gefielt die Art und Weise wahnsinnig gut, wie sie das dargestellt haben. Wie sie nach und nach von dem kleinen VW die einzelnen Teile abgebaut haben. Da hat sich jemand echt was dabei gedacht, die Idee ist genial! Auch die Jagt an sich mit den Fahrrädern darzustellen, finde ich mehr als beeindruckend.
Ich will hier nicht absolut alles verraten, aber ein paar markante Details möchte ich noch nennen. Laut Buch soll Kapitän Ahab sein Bein bereits verloren und eine Art „Bein aus Walknochen“ an dieser Stelle haben. Das lässt sich bei einem augenscheinlich gesunden Schauspieler natürlich schlecht darstellen. Aber die Art und Weise, die künstlerisch absolut geniale Umsetzung, das Ganze darzustellen, hat mich nahezu sprachlos gemacht. Kapitän Ahab hat da, wo sein Bein mal war, einen E-Kontrabass, auf dem er in manchen Szenen auch spielt. Und diese Idee allein verdient meiner Meinung nach schon große Anerkennung. Die Szenen, in denen er dann tatsächlich auf dem Instrument gespielt hat, waren meine Lieblingsszenen. Sie hatten so etwas Tiefgründiges, Verletzliches, aber doch Erhabenes. Einfach ganz große Kunst.
Die gesamte Ausstattung ist einfach beeindruckend. Der Bus ist tatsächlich ein zugelassenes Fahrzeug, mit dem die Schauspieler auch von Auftritt zu Auftritt fahren. Und auch das restliche Equipment ist genau durchdacht und es wird nichts dem Zufall überlassen. Und gegen Ende des Stückes geht es buchstäblich heiß her
Neben den schauspielerischen Leistungen und der gesamten Ausstattung hat mich beeindruckt, dass das ganze Stück eben auch zum Nachdenken anregt. So ist unter anderem vom Klimawandel und den mehr als beeindruckenden Fähigkeiten von Walen die Rede. Es wird dargestellt, wie erbarmungslos und geldgierig die Wale gejagt wurden und sicherlich immer noch werden.
Mir geht es da wie sicherlich vielen anderen auch, ich war besonders beeindruckt von Kapitän Ahab und damit verbunden dem in Köln geborenen Darsteller Gero Wachholz. Seine schauspielerische Leistung hat mich mehr als beeindruckt und ich war sehr froh, dass das Heck des Busses meistens genau vor unserer Nase platziert war und ich ihn somit beobachten konnte. Meiner Meinung nach hat er seine Rolle exzellent gespielt und es war eine Freude ihm zuzusehen. Im Gespräch nach Ende der Aufführung erwies er sich zudem als sehr freundlich und gesellig.
Ein ganz großes Stück ganz großer Kunst!
Ich kann das Stück jedem empfehlen, der mal Lust auf „etwas anderes“ hat. Ohne Schnickschnack. Ohne Firlefanz. Unbändiges, kühles (ok, an dem Tag sehr heißes^^) Metall, kernige Matrosen und ein Ahab, den es so sicherlich noch nie gegeben hat. Wie ich finde, ein absolut beeindruckendes Stück Kunst, das man sich nicht entgehen lassen sollte! Den Spielplan der Freien Bühne Wendland findest du HIER.
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Ich bin Dani, Ergotherapeutin und Kräuterpädagogin. Viel Spaß auf Heimathaben!